Crashkurs Essen und Wein by Gräfe und Unzer

Crashkurs Essen und Wein by Gräfe und Unzer

Autor:Gräfe und Unzer [Rindchen, Gerd]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-06T00:00:00+00:00


EINHEIMISCHE KÜCHE

Als der Herrgott die Rebsorten verteilte, hat er die Deutschen reich beschenkt. Zuallererst, weil er uns den Riesling quasi als Monopol anvertraute. Riesling ist die wohl faszinierendste weiße Rebsorte der Welt, die vom grünen bis tieforangen Geschmackstyp, von ganz trocken bis edelsüß überragende Qualitäten hervorbringt. Es gibt keine andere Sorte, die in ihren unterschiedlichen Spielarten zu wirklich jedem Essen getrunken werden kann − zu Forelle ebenso wie zu Hirsch, zu scharfer Meerrettichsauce genauso gut wie zum Schokoladenpudding. Riesling geht immer. Weil das aber ein wenig langweilig wäre, bekamen wir noch einige andere weiße Spitzenreben geschenkt.

Zunächst den sympathisch milden, also gelben Weißburgunder und dessen korpulenten Bruder, den vom Gelb ins Orange spielenden Grauburgunder. Dann den Silvaner, meistens knackig grün, in Franken aber von überragender Größe, die das gelb-orange Spektrum auslotet. Zwei weiße Züchtungen des 20. Jahrhunderts runden das Bild ab: der gelbe Müller-Thurgau, auch unter dem Namen Rivaner bekannt, und die grüne Scheurebe.

Klimabedingt führten rote Rebsorten in Deutschland lange ein Schattendasein. Der Trollinger wollte nie mehr sein als ein zufälligerweise rot geratener Weißwein mit bezaubernden Beerenaromen. Der Spätburgunder hatte ohne Zweifel Potenzial, konnte dieses aber nur in wirklich guten Jahren und meist nur in Baden abrufen. Mit dem Klimawandel hat sich das grundlegend geändert: Gerade deutsche Spätburgunder zeigen heute eine Eleganz, die internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht. Und mit dem Lemberger und der Neuzüchtung Dornfelder gibt es mittlerweile zwei Rebsorten, die das angestammte lila Spektrum verlassen und körperreiche, samtige – also rubinrote – Rotweine hervorzubringen vermögen.

Und als der Herrgott sah, dass die Deutschen gerne deftige, fettreiche Kost zu sich nehmen, versah er die heimischen Rebsorten mit einem ordentlichen Quantum belebender Frische. Im Vergleich zu allen anderen Weinbauländern sind die Säurewerte deutscher Weine markant höher, auch bei insgesamt mild schmeckenden Tropfen wie dem Weißburgunder. Die Winzer kompensieren das, indem sie die Weine deutlich süßer ausbauen und so die Säure abpuffern. Trockene Weißweine dürfen nach deutschem Weinrecht bis zu 9 g/l Restsüße haben, was einem halben Teelöffel Zucker pro 0,2-l-Glas entspricht. Durchgegorene Weine – und nur diese würde ein Franzose als trocken bezeichnen – liegen bei rund 2 g/l. Deutsche Weine sind durch diese Süße-Säure-Komponente auch bei geringen Alkoholgraden sehr intensiv, mit lebendiger Frucht und Opulenz. Beim folgenden Gang durch die einheimische Küche können wir lediglich an einigen ausgewählten Orten Station machen. Dass wir es gerade dort tun, wo sich das Klischee über uns Deutsche besonders hartnäckig festgesetzt hat, ist unsere volle Absicht.



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